Beitrag 1 : Pflege zu Hause

Geschrieben von L.W. aus Wiehl - über die Pflege eines nahen Angehörigen zu Hause

 

Guten Tag liebe Seniorinnen und Senioren! Senioren, das klingt wie ein Schmelz auf der Zunge!? Seniorin ist man im Sport mit 55 Jahren, die Herren mit 60. Da ist man noch richtig fit - man spielt sein Spiel. Kümmert sich um die Enkel oder, oder oder. Es ist alles gut. Freunde sind im gleichen Alter. Anstatt dem Abendschoppen zu frönen, bedenkt man, dass ein gemeinsames Frühstück bekömmlicher ist usw. Wenn sich da in dem Wort "Senior" nicht auch die beiden ersten Silben - se --  ni -- breit machen im Laufe der Zeit und man sich häufiger Gedanken macht: senil?? Aber das betrifft mich nicht. Schlussendlich ist es der beste Freund/die beste Freundin oder auch der Ehemann/die Ehefrau, die es betrifft. Und dann wird es bitter ernst!!

Arno Geiger, ein Österreicher, beschreibt die Geschichte seines Vaters in einem Buch mit dem Titel: "Der alte König in seinem Exil". Dieses Buch habe ich zweimal gelesen. Beim ersten Mal zur Kenntnis genommen, was mir so klammheimlich bevorsteht, dann aber die Lektüre wieder vergessen. Die Wirklichkeit ist ganz anders. Nach etwa drei Jahren drückte mir jemand dieses Buch noch einmal in die Hände; ich frischte auf! Das Fazit: Herr Geiger hat seinen Vater nur aus der Ferne begleitet. Mal besucht, sich bemüht festzustellen, dass der alte Mann nicht mehr alleine lebensfähig war. Eine Betreuerin vertrat nun die Familie. Und dann, ganz schnell das Heim!!

Selbst meine beste Freundin entledigte sich der Versorgung ihres Mannes. Nun ist sie selbst in Pflege (sehr schwer betroffen und hilfsbedürftig) und .......ist unzufrieden.

 

Die Heime sind leider rappel voll. Das Personal überfordert und es ist unmöglich, sich jedem Patienten gänzlich zu widmen. Die Kehrseite, die Pflege zu Hause. Der Patient verliert sich und seine Gedanken zuerst sehr langsam, fast schleichend. Dann kommt vielleicht eine Grippe hinzu. Diese schlägt ihn noch weiter zurück. Die Motorik lässt gewaltig und stetig nach, bis das "alleine Gehen" restlos verebbt.

Es ist  ein Trauerspiel. Alle möglichen Hilfen und Hilfsmittel werden aktiviert. Ein Tag pro Woche die Tagespflege. Zweimal wöchentlich 2 1/2 Std. pflegerische Betreuung. Spazierengehen, vorlesen. Früh kommt die Pflegerin, um den Patienten zu duschen. Dann Physiotherapie. Eine Hilfe für die grobe Hausarbeit dreimal 3 Std. pro Woche. Ansonsten ist man alleine mit sich und der Welt. Tag und Nacht muss der Patient x -mal zur Toilette. Zur Ruhe kommt man nie.

Jedoch, als das Wesentliche erscheint mir, dass ich fast ständig in mit meinem Mann zusammen sein kann. Seine Fragen drehen sich meist um einen Punkt, der sich gerade in sein Hirn geschlichen hat. Kinder, Enkelkinder, selten alte Freunde. Es ist ohnehin alles vergessen. Ich zähle schon gar nicht mehr, wie oft ich Tag und Datum wiederhole! Die gleichen Fragen beantworte ich bis zum "Geht nicht mehr". Und dann wieder der Aufruf zur eigenen Vernunft: Solange er bei dir ist, ist das bisschen Persönlichkeit noch erhalten. In einem Pflegeheim kann doch niemand wissen, wie die Zusammenhänge waren.

 

Leider war ich auch so unvernünftig, ins neunte Jahrzehnt hinein zu schnuppern und diese Anforderungen fallen mir schwer. Ich bin dankbar für jeden Tag den, mein Mann hier sein kann!  Den Tag der großen Entscheidung schiebe ich noch weit von mir weg …